Erfahrungsbericht

„Hospiz macht Schule“ im Walddorf Straberg - Bericht: Anita Kramer

Es gibt Themen, über die hätte man eigentlich schon längst miteinander sprechen sollen…

… die Frage der 14jährigen Tochter nach der Pille.

Es gibt Themen, die einen immer zum falschen Zeitpunkt zu treffen scheinen…

… Beim rückwärts - seitwärts Einparken, im Nacken eine ungeduldige Autoschlange, fragt die 3 1/2 jährige Tochter: „Mama, wie soll Opa in den Himmel kommen, wenn man ihn auf dem Friedhof eingräbt? ...“

Es gibt Themen, für deren Aufschub man viele gute und vernünftig klingende Begründungen findet…

…zu jung, zu unreif, überfordert, nicht zumutbar, hat Zeit, nur das Beste wollen, zu belastend, unbeschwerte Kindheit.

Es gibt Themen, für die man auf den passenden Zeitpunkt wartet, man schiebt sie auf - bis….

…hoffentlich nicht, nur nicht daran denken, passiert bei uns nicht…


Vielen Menschen werden diese oder ähnliche Dinge einfallen, wenn sie das erste Mal von dem Projektangebot Hospiz macht Schule für das dritte und vierte Schuljahr hören.

Während der vielen Begleitungen von sterbenden Menschen und deren Angehörigen, aber auch bei Trauerbegleitungen der Hinterbliebenen, erleben wir, dass Eltern und Angehörige sehr oft versuchen ihre Kinder vor diesem einschneidenden Thema zu behüten. Kinder werden aus den Gesprächen ausgegrenzt, blieben allein zurück, mit den dann doch mit gelauschten Gesprächsfetzen und ungeklärten Eindrücken.

Zurück bleiben Angst und Vorurteile.

Auf dem Fortbildungswochenende in der Nähe von Düren, lernten wir das sorgfältig erarbeitete Konzept der Hospizbewegung Düren in Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz und dem Deutschen Kinderhospizverein, kennen und es überzeugte uns sehr schnell.

Wir konnten die Grundschule Am Kronenpützchen in Straberg, für dieses Projekt gewinnen. Und wir waren sehr dankbar für die Offenheit und das Vertrauen, das man uns von der ersten Minute an entgegenbrachte.

Mit viel Arbeit und Engagement setzten wir uns daran dieser Herausforderung gerecht zu werden, um das Projekt zu einem Erfolg werden zu lassen.

Es wurden 5 Tage, vorbereitet:

1. Tag: Werden und Vergehen
2. Tag: Krankheit und Leid
3. Tag: Sterben und Tod
4. Tag: Trauer und Trauerbewältigung
5. Tag: Trost und Trösten

Die Kinder der dritten Klasse begegneten uns unvoreingenommen. Mit einem Einstiegs- und Abschlussritual rahmten wir den jeweiligen Tag. In Kleingruppen und im Stuhlkreis, manchmal auch laut diskutierend tasteten wir uns gemeinsam an das jeweilige Thema heran.

Es war ein tolles Erlebnis zu beobachten wie unkompliziert Kinder darüber reden und damit umgehen.

Am zweiten Tag stellte sich Herr Dr. Igelbrink (Hausarzt im Ort) als sehr einfühlsamer Gesprächspartner zur Verfügung, der kindgerecht und mit Humor, die von den Schülern in Kleingruppen erarbeiteten Fragen geduldig beantwortete.

Die Kinder überraschten ihn am Ende mit einem Pantomimenspiel.

In der Besprechung nach dem Unterricht am dritten Tag waren wir uns alle einig, dass dies wohl der Höhepunkt für die Kinder gewesen war. Wir hatten beobachtet wie gespannt sie dabei waren, bemüht nichts zu verpassen und endlich Gesprächspartner gefunden zu haben, die kein Problem mit dem Zeitpunkt hatten.

Fragen wie zum Beispiel: „Kann man einen Toten anfassen?“ wurden an die Klasse weitergegeben, teilweise auch von Mitschülern richtig beantwortet und eventuelle Fehlinformationen („Kann man sich an einer Leiche vergiften?“) richtig gestellt.

Das Thema des vierten Tages war für die Kinder nichts Neues, aber zum ersten Mal konnten sie sich nun in einem geschützten Rahmen über ihre Erlebnisse und Erfahrungen austauschen. Trauer hat viele Ursachen und Kinder werden in ihrer Entwicklung meist ganz selbstverständlich damit konfrontiert (Wechsel Kindergarten zur Schule, Umzug, neue Lehrkraft, Trennung der Eltern, Tod der Großeltern…).

Dem fünften Tag fieberten die Kinder nicht nur deshalb entgegen, weil es der letzte Schultag vor den Herbstferien war, sondern auch, weil die eigenen Eltern und interessierte Familienangehörige zu einem kleinen Abschlussfest eingeladen waren und viele leckere Kleinigkeiten mitbrachten.

Vorher aber befassten sich die Kinder mit dem gleichen Einsatz und Interesse dem Thema Trost und Trösten.

Auf dem Abschlussfest konnten die Eltern Eindrücke und Informationen zu unserer Projektwoche sammeln. Stolz präsentierten die Kinder das Erarbeitete. Nach den Herbstferien verfasste Frau Lintorf, die Klassenleiterin, mit ihren Schülern ein ganzes Buch mit selbst geschriebenen Geschichten und vielen Bildern über die gesammelten Eindrücke und Erlebnisse.

In einem für beide Seiten positiven Abschlussgespräch mit Frau Lintorf überreichte sie uns dieses Buch als Geschenk – vielen Dank!

Für uns 6 Ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen der Hospizbewegung war es eine sehr arbeitsintensive, aber auch eine rundherum sehr bereichernde Zeit.

Während der 5 Projekttage wuchs übrigens unser Respekt für der Arbeit und dem Engagement der Lehrerinnen und Lehrer täglich.

Und wir sind froh, dass wir uns diesem Thema und dem Zeitpunkt gestellt haben.

Ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen in alphabetischer Reihenfolge: Sibille Classen, Eva-Marie Henrich, Ulla Hofmann, Ute Kienle, Anita Kramer, Dr. Werner Schütte



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In diesem geschlossenen Bereich stehen Materialien für die Planung und Durchführung von "Hospiz macht Schule" bereit. Die Zugangsdaten werden ausschließlich an Teilnehmende des Befähigungsseminars ausgegeben.